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Volle Kanne, aber nicht breitbeinig, Ostern feiern!, von Pfarrer Michael Jäger (2025_04)

– Artikel für Christen unterwegs –

Frauen. Wieder einmal Frauen, die etwas früher mitbekommen als die Männer. In diesem Fall, dass das Grab leer ist. Und dabei bleibt es nicht. Sie bekommen auch noch als erste den Auftrag, diese Botschaft – erst jetzt kommen die Männer ins Spiel – den Jüngern und Petrus auszurichten. Leichter gesagt als getan. Die Frauen sind ordentlich erschrocken und bekommen zunächst einmal kein Wort über die Lippen. Mehr als verständlich. Wie soll man etwas beschreiben, wofür es keine Worte gibt?

So wird in der Bibel das Ostergeschehen erzählt. Ostern, Fest der Auferstehung, Tag der Halleluja-Klänge. Und die Jahreszeit schiebt gewaltig mit an. Die Natur bricht auf und das Leben sich Bahn. Was neues Leben bedeutet, Aufbruch, Abgestorbenes hinter sich lassen, richtig Farbe ins Spiel bringen, mit Energie förmlich bis zum Platzen aufladen, das zeigt überaus eindrucksvoll der Frühling. Jedes Jahr neu ein Fest. Für mich fast die schönste Jahreszeit. Verheißung des Sommers. Ostern kann man immer feiern, aber in den Frühling passt es so richtig rein.

Bei den Frauen, es handelt sich um Maria Magdalena, um eine weitere Maria, die als Mutter des Jakobus ausgewiesen wird, und Salome, bricht aber etwas ganz anderes auf, mit aller Gewalt, und zwar Zittern, Angst und Sprachlosigkeit. Sie rennen hinaus. So endet das Markus-Evangelium, das älteste der 4 Evangelien, in seiner ursprünglichen Fassung. Kein Halluluja, oder alles entspannt und in bester Ordnung. Nein, die christliche Botschaft ist eingebettet ins Leben der Menschen, und da kann es nun mal so viel Verzweiflung geben, dass diese den Menschen die Sinne für sie verlegt.

Ist vielleicht diese Überforderung der ersten Osterzeuginnen selbst ein Teil der befreienden österlichen Botschaft? Sind wir denn Ostern gewachsen? Natürlich, das mit den Ostereiern bekommen wir schon hin, die einen bemalen, die anderen verstecken. Ein paar nette Bräuche dazu und ein üppiges Osterfrühstück, gerade wenn man zuvor gefastet hat. Diverse Leckereien bieten sich an, ob nun der Osterfladen oder die Colomba, der Osterhase. Den Kindern Geschenke machen, schließlich ist Weihnachten schon wieder eine Weile her und für Geschenke haben Kinder ohnehin eine gewisse Grundoffenheit … Wie man Ostern feiert, ist halbwegs klar.

Aber Ostern verstehen? Begreifen? Was diese Explosion an Bräuchen und Feiern ausgelöst hat? Nicht so einfach. Österlicher Glaube braucht Zeit. Jesus aufsuchen wie die Frauen, Jesus suchen – ja, das geht schon gut. Die von ihm erzählten Geschichten berühren. Seine Predigten und Gleichnisse fordern unsere Denkgewohnheiten heraus. Aber ihn als den Auferstandenen sehen? Das war für die Frauen damals nicht einfach, und das ist es uns heute ebenso nicht. Zu verstehen, dass diese Welt noch eine andere Dimension hat, und nicht der Tod das letzte Wort. Hinter der oft so drückenden, dominierenden Realität des Todes noch eine andere ahnen – das will erst einmal geglaubt werden.

Dabei kann ich es mir umgekehrt kaum vorstellen, wie es ohne diesen Glauben gehen sollte. Wie man all dieses Leid und die Ungerechtigkeit in dieser Welt aushalten, wo man Hoffnung hernehmen könnte, gäbe es nicht das leere Grab und die Frauen, die plötzlich vor etwas Unfassbarem stehen. Der Stein konnte den Lebenswillen Gottes nicht bändigen. Der Tod nicht das Leben ein für alle Mal beschließen. Nach 3 Tagen war Schluss mit seiner Macht. So muss es sein. Schlimm genug, dass er so wüten darf, so unzählig oft so unsinnig verursacht und zugemutet wird.

Gott muss wieder auf den Plan treten. So wie auf den ersten Seiten der Bibel beschrieben wird, dass er die Welt und alles auf ihr ins Leben gerufen hat, so lesen wir auf ihren letzten Seiten, dass Gott die Tränen der Menschen aus den Augen wischen wird und Tod, Leid und Geschrei ihr Ende finden. Nur mit dieser Klammer, mit dem von Gott gesetzten Anfang und dem von ihm gemachten Ende, ist all das Dazwischen halbwegs ertragbar. Und auch davon können wir in der Bibel ganz anschaulich und realistisch lesen. Was das Leben so ausmacht, das Schöne wie den ganz normalen Wahnsinn. Die Begeisterung Adams als er zum ersten Mal Eva sieht, wie die blutigen Kriege der Israeliten mit allen möglichen Nachbarn.

Das volle Leben, mit allem Drum und Dran, aber an seinem Ende eben kein Western, alle liegen tot vorm Saloon, sondern Ostern, alle stehen wieder auf. Gott sei unendlich Dank.

Ein Fest, das wir also mit Freude und allen möglichen Bräuchen feiern sollten, überschwänglich, aber zugleich demütig bescheiden. Denn ein voller Mund und breite Schultern stehen uns Gläubigen, uns Suchenden nicht gut zu Gesicht. Wir sind bedürftig. Gott selbst muss uns immer wieder über die Schwelle des Zweifels heben, uns entgegenkommen und so das Vertrauen in seine und auch unsere Auferstehung wachsen lassen. Was wir in der Zwischenzeit tun können, ist, die Zeit ein wenig zu nutzen, um anderen beim Aufstehen zu helfen. Damit nicht Furcht und Zittern in dieser Welt den Ton angeben, sondern das Halleluja der Befreiten.

Oh weh, jetzt sind die Ferien zu Ende …, von Pfarrer Michael Jäger (2024_09)

– Artikel für Christen unterwegs –

Eigentlich darf man sich nicht beschweren, sie sind lang genug gewesen. Aber hätten sie noch ein wenig länger gedauert, hätte man das schon auch irgendwie ausgehalten.

Meine Kinder haben beim Umzug von Bozen nach Reutte genau nachgerechnet. Welche Ferien gab es in Südtirol und welche gibt es nun in Nordtirol und wie lange dauern die jeweils. Das sollte ermitteln helfen, wo es sich letztlich als Schülerin oder Schüler leben lässt. Natürlich sind die Ferien nicht alles. Das Schülerleben wird schon noch von genügend anderen Faktoren bestimmt, aber davon verschaffen die Ferien ja gerade ein wenig Abstand.

Egal wie gleichmäßig, lang oder kurz sie sich nun über das Jahr verteilen, diese Pausen sind unglaublich wichtig. Der Schulalltag kostet Kraft. Das frühe Aufstehen fällt allmorgendlich schwer, erst recht, wenn es noch dunkel ist und man als Fahrschüler nochmal früher weg muss. Und wenn man dann endlich angekommen ist, geht es ja erst richtig los. Ein Fach jagt das andere, ein Lehrer folgt dem anderen. Der Platz in der Klassengemeinschaft will erkämpft werden und Noten gibt es ja auch noch – von der Erwartungshaltung der Eltern ganz zu schweigen.

Alles in allem – wenn man so will – eine angemessene Vorbereitung auf das Leben. Denn all das bleibt ja, kommt nur in neuen Gewändern wieder. Es ist halt dann kein Klassenzimmer mehr, sondern ein Großraumbüro oder eine Betriebshalle. Aus Klassenkameraden werden Arbeits-Kollegen und von Chefs wimmelt die Welt ja ohnehin. Leistungsdruck, Prüfungen, Angst zu versagen – wem ist das fremd? Was es nur nicht mehr so geregelt gibt wie in der Kindheit, das sind die Schulferien und die freien Wochenenden.

Schade eigentlich. Im biblischen Schöpfungsbericht stellt man sich Gott ganz menschlich vor. Nach sechs Tagen der Arbeit ruht er sich am siebten Tag aus. Vorbildhaft. Gott sei Dank gibt es den Sonntag, für uns und unsere Familien und Freunde. In ein paar Tagen ist es wieder so weit.

Was ist in meinem Herzen, von Kuratorin Brigitte Moritz (2024_07)

– Artikel für Christen unterwegs –

Was haben wir Menschen eigentlich in unserem Herzen? Nehmen wir noch wahr, was unser Herz uns sagt, und was es vielleicht auch fordert. Hören wir noch auf Herzensgüte, strahlen wir Herzlichkeit aus. Ganz abgesehen von der medizinischen Leistung, die das Herz jeden Augenblick unseres Lebens leistet, gibt es doch auch die ideelle Vorstellung, dass das Herz Empfindungen hat, die wir mit Worten und Gesten nach außen tragen. Wir Menschen haben ein Herz um Gefühle zu zeigen. Wir kommunizieren mit anderen, wenn wir herzlich lachen. Oder wir verstärken eine Anteilnahme, weil es von Herzen kommt.“ Ich danke dir von Herzen“ ist eben mehr als nur ein „Danke“.

Ich bin davon überzeugt, dass in unseren Herzen viel Gutes ist. Rücksicht und Anteilnahme kommen aus unseren Herzen. Aber lassen wir es auch heraus.

Wenn wir Menschen erleben, die voller Hass ihre Meinung äußern. Wenn Jugendliche sich im Netz anfeinden und bloßstellen. Wenn Fakenews die Medien beherrschen. Die Lüge wird als Wahrheit verkauft und Lügen ist kein Makel mehr. Unser Umgangsstil ist so gnadenlos hart geworden. Rücksicht ist nicht mehr modern.

Trauen wir unseren Herzen wieder mehr zu. Beachten wir mehr das Gute das wir zu geben haben. Binden wir unser Herz bewusst in Entscheidungen ein. Hören wir – bevor wir den Mund aufmachen – auf die Herzlichkeit, die in uns steckt. Und bevor wir Entscheidungen treffen sollten wir unser Herz fragen, ob wir das wirklich so machen möchten. Unsere Welt könnte besser sein, wenn wir mehr auf unser Herz hören würden. Der Prophet Jesaia (Vers 46,12) fordert die Menschen auf „hört mir zu, ihr trotzigen Herzen, die ihr fern seid von der Gerechtigkeit“. Im Römerbrief (Vers 10,10) wird den Menschen dann in einem versöhnlicheren Ton ein Angebot gemacht: „wer mit dem Herzen glaubt, wird gerecht“. Wir bekommen hier ein gutes Versprechen. Gerecht zu sein heißt doch auch Menschlich zu sein. Na dann, hören wir doch mal genauer hinein in unser Herz.

Inmitten, von Pfarrer Michael Jäger (2024_03)

Inmitten all der Leiden dieser Welt, zwischen Schmerzen und Klagen, unfassbar, unerträglich, schon das einzelne Schicksal, erst recht in der Summe. Inmitten aller menschlichen Not dieses eine Leiden, dieser eine Mensch. Mit Mutter und Familie, Freunden und Gegnern, Freuden und Ängsten. Voller Ideen und Ideale, mit Glauben und einem Vater im Himmel. Ein Mensch, wie so viele andere auch. Am Ende verraten, verlassen und verspottet, gefoltert und ans Kreuz gehängt.

Inmitten all der Gräber dieser Welt, den kunstvollen Mausoleen und den unauffindbaren, den geschmückten und denen, die niemand graben konnte, oder wollte. Ist da dieses eine Grab, großzügig geliehen und mit einem Stein verschlossen.

Inmitten all der Morgen dieser Welt. Freudig erwartet, oder lustlos begonnen. Voller Fragen und Leerstellen, Tatendrang und Termine. Ist da dieser eine Morgen.

Drei Frauen machen sich auf den Weg. Ihr Herz ist schwer. Sie trauern um einen Menschen, der ihnen alles bedeutet hat. Ein Teil ihres Lebens, unwiederbringlich verloren. Sie hatten fast gemeint, durch ihn den Himmel offen zu sehen. Damals. Jetzt wie eine Ewigkeit her.

Inmitten all der Enttäuschungen, die Menschen aller Zeiten und Orte so gut kennen, dieser eine Morgen, der anders war, als alle anderen. Die Welt auf den Kopf gestellt. Nichts mehr so, wie es einmal war. Das Grab leer. Der Stein weggerollt. Licht, eine Gestalt, eine Botschaft, Frauen anvertraut: Er ist auferstanden. Er ist wahrhaftig auferstanden. Gott hat es so gewollt.

Und das ist erst der Anfang.

Frohe Ostern!

Die Kraft in den Schwachen, von Presbyter Jürgen Gerrmann (2024_03)

– Artikel für Christen unterwegs –

Ich kann nicht singen. Ich kann nicht tanzen. Ich kann nicht Skifahren. Ich kann nicht Eislaufen. Ich kann nicht kochen. Schon wieder habe ich bei der Arbeit einen Fehler gemacht. Einmal mehr bin ich zu spät gekommen. Was sollen denn bloß die Leute von mir denken?

Mein Glaube ist nicht gut genug. Ich habe heute vergessen zu beten. War am Sonntag nicht in der Kirche. Und sowieso sind da immer wieder diese Zweifel, die mich unversehens überfallen, obwohl ich doch vertrauen soll. Was soll denn bloß Gott von mir denken?

Perfektionismus ist eine der großen Geißeln unserer Zeit. Unzählige Ratgeber boomen, in denen uns vermittelt werden soll, wie wir uns selbst „optimieren“ und in diesem oder jenem absolut perfekt sein können sollen.

Aber stellen wir uns im Grunde damit nicht selbst ein Bein? Verengen wir unseren Blick dadurch nicht auf unsere Fehler und das, was wir nicht können, nicht tun oder nicht getan haben, und sind dadurch blind für all das Gute und Schöne, das in uns und an uns lebt und weit überwiegt?

Wir schämen uns vor anderen, weil wir nicht perfekt sind – ohne je darüber nachzudenken, ob die überhaupt wollen, dass wir perfekt sind.

Und das zieht sich sogar in unseren Glauben hinein. Auch da fragen wir uns immer wieder, ob wir wirklich „gut genug“ für Gott sind. Das kannte auch Martin Luther, den die Frage „Wie finde ich einen gnädigen Gott?“ regelrecht zermarterte. Und trotz der Botschaft der Reformation sind auch wir Evangelischen selbst mehr als 500 Jahre danach nicht vor diesen beiden Fragen gefeit.

Da tut es ab und zu gut, wenn einem ein kleines Büchlein in die Hände fällt. In einem davon hat Paolo Scquizzato, ein katholischer Priester aus dem Piemont mit großem Herzen für die Ökumene, das „Lob des unvollkommenen Lebens“ (so der Titel) gesungen.

Er weist dabei unter anderem darauf hin, dass sich Gott von Anfang an den Unperfekten, ja Schuldbeladenen offenbart: Adam und Eva lässt er nach dem Sünden-Fall nicht fallen, er gibt nicht einmal den Mörder Kain der Vernichtung preis und selbst David, der als sein „Liebling“ gilt, war (wie dessen Geschichte mit Betseba zeigt), alles andere als perfekt. Und auch Jesus empfand zu den Zöllnern, Aussätzigen, Ausgestoßenen und sogenannten „Sünderinnen“, auf die man mit dem Finger deutete, eine weit größere Nähe als zu den Perfekten.

Gottes unbedingte Liebe zeigt sich (wie ja auch unter uns Menschen) gerade darin, dass wir nicht perfekt sein müssen. Sondern so sein dürfen, wie wir sind.

Seine Worte aus dem 2. Korintherbrief gelten eben nicht nur für den Apostel Paulus (auch einen Unperfekten also), er richtet sie auch an uns: „Lass Dir an meiner Gnade genügen! Denn meine Kraft ist in den Schwachen mächtig!“

Stressen wir uns also nicht mit dem Hang und Drang zur Perfektion. So schwer das sein mag: Lassen wir uns an seiner Gnade genügen! Werden wir statt irgendwelchen mentalen Klimmzügen still und ruhig. Und spüren wir die Kraft, die gerade in uns Schwachen mächtig ist.

Haben oder Sein, von Kuratorin Brigitte Moritz (2024_02)

– Artikel für Christen unterwegs –

Als Erich Fromm sein Buch „Haben oder Sein“ im Jahr 1976 veröffentlicht hat, waren die Zeiten anders. Das Buch war damals ein hilfreiches Mittel über sein Leben nachzudenken. Es bot Orientierung für die Zukunft. Wenn ich heute das Buch in die Hand nehme, dann merke ich, dass es immer noch aktuell, ja vielleicht sogar brisanter als damals ist. Auch heute hinterfragen die beiden Begriffe Haben und Sein unser Leben. Auch das Christsein betrifft Aspekte, die unter diesen beiden Richtungen gesehen werden können.

Da ist das Haben. Gemeint ist damit die Organisation Kirche mit ihren Gesetzen, mit der ganzen Verwaltung, dem Finanzapparat, den weltlichen Strukturen. Eben all die Themen, an denen wir uns reiben und immer wieder ärgern. Oft sind diese Inhalte das Thema unserer Kritik. Dieses Missfallen führt dann eben auch manchmal zum Kirchenaustritt.

Das Sein ist unser Glaube an Gott, an Jesus und den Heiligen Geist. Das Sein ist unsere geistige Haltung zu unserem Glauben. Wie nehmen wir die Worte und Geschichten der Bibel auf. Welche Verantwortung haben wir in der Umsetzung der Texte. Gestalten wir unser Leben in Sinn der Nächstenliebe und den zehn Geboten. Vertrauen wir den Worten der Bergpredigt. Wie wird unser Christsein erkennbar.

Ein kritisches Hinterfragen der kirchlichen Organisation ist gerechtfertigt. Wie bei allen Organisationen muss man immer wieder Sinnhaftigkeit und Berechtigung hinterfragen. Insbesondere wenn Skandale und Misswirtschaft auftreten. Immer wieder werden Machtpositionen missbraucht. Statt transparenter Aufarbeitung wird verschleppt oder verschleiert. Das alles sind Dinge, die verärgern. Sie bringen einen dazu, sich von der Organisation Kirche zu distanzieren oder zu trennen.

Nun ist mir aber ganz wichtig, dass man wirklich unterscheidet zwischen Kirche und Glauben, oder wie Erich Fromm es ausdrückt, zwischen Haben und Sein. Also nicht nur über die Kirche schimpfen, sondern auch den Sinn unseres Glaubens sehen. Die Aufmerksamkeit auf die Beziehung mit Gott lenken und fragen, wann hat mich Gott geärgert oder enttäuscht. Ist mein Glaube so sinn- und kraftlos, dass ich mich davon distanzieren will. Wenn wir unsere Wahrnehmung in diese Richtung lenken, dann erhalten wir hoffentlich ein ganz anderes Bild von Kirche.

Es ist gut sich immer wieder diese Unterscheidung zwischen Kirche und Glauben bewusst zu machen und dann erst zu handeln. Die Zeiten heute sind schwierig. Werte verrutschen, die Frage nach Sinnhaftigkeit wird übergangen, Lügen werden als Wahrheit verkauft. Bleiben Sie ihrer Kirche und ihrem Glauben treu. Hier findet sich noch Orientierung zwischen Haben und Sein.

Brigitte Moritz, Kuratorin

Gedanken zur Ökumene von Pfarrer Michael Jäger (2024_01)

Ich mag die Gebetswoche zur Einheit der Christen, jedes Jahr, Mitte/Ende Januar. Das Zusammentreffen mit den Geschwistern – ein Vergnügen. Man muss ja nicht alles mit ihnen gemeinsam machen. Aber ab und zu, da ist es dann gleichermaßen das natürlichste von der Welt und etwas ganz Besonderes.

Wie mit meinem Bruder. Wen der zu Besuch kommt – wir handhaben das immer so rum, da er seit Jahrzehnten in Soest wohnt und ich bislang immer nach unserem gemeinsamen Verständnis die attraktiveren Wohnorte hatte und habe – ist es wie ein kleines Fest.

Das Fest der Ökumene 2024 feiern wir in Reutte also am 19. Januar, um 19 Uhr in St. Anna. Ich bin gespannt, wer kommt. Noch ist auch nicht geklärt, wie viele Veranstalter wir sein werden. Katholisches Dekanat Breitenwang und Evangelische Pfarrgemeinde Reutte sind schon mal am Start. Das steht fest, wie auch das diesjährige Motto:

„Du sollst den Herrn, deinen Gott, lieben und deinen Nächsten wie dich selbst“ (Lk 10,27)

Es ist ja ein Dreieck. Die Liebe zu Gott, zum Nächsten und auch zu sich selbst. Gut, wenn es ein halbwegs gleichschenkeliges Dreieck ist. Nicht eine Pyramide, oder passender zur Zeit, ein Tannenbaum. Eine Spitze ganz oben und alles andere ist untergeordnet.

Ich glaube, nur in diesem Dreiklang klingt die Liebe richtig gut. Wenn man nur an andere denkt, und nicht auch an sich selbst und Gott, kann man leicht an Grenzen kommen, oder gar ausbrennen. Richtet man sich ganz auf Gott aus, auf den Gott, wie man ihn so zu erkennen meint, und verliert den liebevollen Blick auf die Nächsten und sich selbst, ist der Fanatismus nicht mehr weit – und den sehe ich wiederum ganz weit weg von dem Gott, wie ich ihn in der Bibel finde. Und über Menschen, die ihr eigenes Ich ganz oben anstellen, brauche ich wohl nicht extra zu schreiben. Sie sind rasch einsam da oben.

Also, es wird sich sicher lohnen, sich gemeinsam ins christliche Gleichgewicht bringen zu lassen. Am 19. Januar die Andersartigkeit der Geschwister erleben und sich zugleich mit ihnen verbunden wissen, als Kinder des einen Gottes, der sich selbst in einer Nacht – wir nennen sie die Heilige Nacht und feiern sie hier immer am 24.12. – entschieden hat, die Welt zu lieben.

Advent heißt Abschied von Pfarrer Michael Jäger (2023_12)

Nein,

Advent meint Ankunft, so heißt es doch.

„Gott kommt an.“

Doch es gibt keine Ankunft ohne Abschied.

Das Kirchenjahr kleidet den Advent Lila.

Einkehren, umkehren, anders werden.

Zeit, ein wenig in mir wieder Ordnung zu machen.

Ein wunder Punkt.

Sowieso, aber aktuell bei mir noch mehr als sonst.

Denn von Ordnung machen, habe ich in diesem Jahr genug.

Bis alles in Reutte halbwegs wieder seine Ordnung hatte …

Ordnung in den Arbeitsablauf bringen.

So viel Neues.

Dann noch in Österreich

Umzugskisten waren nützlich.

Aber auch der Recyclinghof und die Kleinanzeigen.

Sachen, Aufgaben und auch Menschen zurück lassen.

Sie hatten ihre Zeit.

Jetzt ist Neues dran.

„Gott kommt an.“

Das macht was.

Das stellt alles auf den Kopf.

Das ist mehr als Umzug und neues Autokennzeichen.

Gott wird Mensch.

Will uns ganz nahe sein.

In uns Wohnung nehmen.

Wer hätte sich so etwas ausdenken können,

als Gott allein.

Deshalb beherzt Abschied nehmen.

Advent heißt Abschied.

Gewohnheiten, Trägheiten, Gedankenlosigkeiten …

hinter sich lassen, entsorgen.

In sich Platz machen.

Frei haben für das Neue.

Damit Gott Raum hat in mir.

Und meine Seele ankommt in Gott.

Einen gesegneten Advent

Pfarrer Michael Jäger